AD(H)S – das kann man tun

Die Abgabe von sogenannten Psychostimulanzien insbesondere an Kinder mit einer Aufmerksamkeitsdefizit- oder Hyperaktivitätsstörung, AD(H)S, gerät immer wieder ins Kreuzfeuer der Kritik. Unter anderem wird befürchtet, die Einnahme dieser Medikamente würde Kinder in die Abhängigkeit führen oder sie lediglich ruhigstellen. Wir zeigen Ihnen einige Fakten auf, die für und gegen Psychostimulanzien sprechen.

Vorteile von Psychostimulanzien

  • Patienten, die gut auf das Medikament ansprechen, erreichen in kurzer Zeit eine Verbesserung der Gesamtsymptomatik. Extremsituationen in diversen Lebensbereichen wie etwa in der Schule oder Familie gehen in aller Regel zurück.

  • Druckintensive Situationen können mittels vorübergehender Therapie mit Psychostimulanzien überbrückt werden. Sobald sich der Stress wieder etwas legt, ist die Absetzung des Medikaments ohne Entzugserscheinungen möglich.

  • Im Allgemeinen sprechen die Patienten gut auf Psychostimulanzien an.

Nachteile von Psychostimulanzien

  • 10 bis 15 Prozent sprechen nicht auf das Medikament an.

  • Eine Heilung von AD(H)S ist mittels Psychostimulanzien nicht möglich.

  • Aufgrund der Individualität der Patienten ist die Einstellung der Medikamente sehr schwierig.

  • Es können Nebenwirkungen wie Appetitrückgang, Schlafstörungen und Reizbarkeit auftreten.

  • Auftreten des sogenannten «Rebound-Effekts», wenn das Medikament nach längerer Einnahme wieder abgesetzt wird. Dass heisst, das behandelte Leiden tritt schnell wieder auf und einzelne Symptome können sich durch eine vorherige Über- oder Falschdosierung massiv verschlechtern.

  • Fehlen von relevanten Langzeitstudien bezüglich möglicher psychischer Veränderungen bei Langzeitmedikation.

AD(H)S natürlich behandeln?

Nicht nur die Schulmedizin bietet Möglichkeiten, AD(H)S zu behandeln. Markus Flück, Facharzt für Allgemeinmedizin FMH und Homöopathie SVHA, erklärt im Interview, wie man dem Leiden auch auf natürlichem Weg begegnen kann.

Markus Flück, was für Möglichkeiten bietet die Komplementärmedizin bei der Behandlung bei Kindern mit AD(H)S?
«Diese Frage ist nicht klar zu beantworten. Der Grund liegt in der Fülle an Therapieformen, die mit dem Begriff Komplementärmedizin verbunden sind. Dass heisst, er umfasst eigentlich alle nicht schulmedizinischen Heilmethoden. Sicher ist, dass für viele komplementäre Heilmethoden noch keine relevanten Daten im Bezug auf AD(H)S vorliegen – was aber nicht heissen soll, dass sie wirkungslos sind.»

Allgemeinmediziner und Homöopath Markus Flück: «Eine homöopathische Behandlung kann Sinn machen. Sie verlangt aber eine genaue Analyse der gesamten Lebenssituation.»

Wie ist Ihre persönliche Erfahrung bezüglich einer natürlichen Behandlung von AD(H)S bei Kindern?
«Als Facharzt für Allgemeinmedizin und Homöopathie kann ich nur von der klassischen Homöopathie sprechen. Diese verfügt über viele relevante Daten von Ärzten, die sich bereits sehr lange und tief mit der homöopathischen Therapie von Kindern mit AD(H)S beschäftigen. Zusätzlich liegt auch eine grosse wissenschaftliche Studie der Universität Bern vor, welche die Wirkung der klassischen Homöopathie auf die AD(H)S-Symptomatik deutlich nachgewiesen hat.»

Wie lange dauert es, bis sich aufgrund der klassischen Homöopathie bei der Behandlung von AD(H)S erste Erfolge einstellen?
«Bereits nach wenigen Wochen lässt sich eine erste, leichte Besserungen in Stärke und Ausprägung der Grundsymptome und vor allem der Sekundärsymptome wie Lern- und Leistungsstörungen nachweisen. Eine 50-prozentige Reduktion des Conners’ Global Index (CGI) zeigt sich aber erst nach drei bis vier Monaten. Der CGI-Index ist eine Skala mit der zehn Kriterien wie Wutausbrüche, Schreianfälle erfasst werden.»

Das eine tun, das andere nicht lassen – gilt dies auch zwischen der Schulmedizin und einer homöopathischen Behandlung bei AD(H)S?
«Erst stellt sich die Frage, warum sich jemand homöopathisch behandeln lassen will. Unterschieden wird zwischen drei Gruppen. Da wären Patienten, die bereits mit Psychostimulanzien vorbehandelt sind und diese aus Angst vor unklaren Langzeitfolgen mithilfe der Homöopathie absetzen möchten. Eine weitere Patientengruppe wählt direkt nach der Diagnosestellung die klassische Homöopathie als Primärtherapie. Und es gibt noch jene Patientengruppe, bei denen die schulmedizinische Therapie und auch andere komplementärmedizinische Heilmethoden keine befriedigenden Resultate brachten. Eine homöopathische Behandlung kann in allen Fällen Sinn machen. Sie verlangt aber eine genaue Analyse der gesamten Lebenssituation.»

Lässt sich ein Zeitpunkt bestimmen, der ideal für einen Wechsel von einer schulmedizinischen zu einer homöopathischen Behandlung ist.?
«Die Schulmedizin hat ihre ganz klaren Indikationen. Vor allem in Notsituationen oder zur Zeitüberbrückung kann sie eine effektive Hilfe darstellen. Heilungen durch Psychostimulanzien sind jedoch keine zu erwarten. Deshalb sollte man es meiner Meinung nach nicht unterlassen, einen komplementärmedizinisch tätigen Arzt zu konsultieren. Im Speziellen Kindern gibt man damit die Möglichkeit, ein Leben ohne Psychostimulanzien zu führen. Zudem entzieht man sie dem Risiko möglicher, aber noch unklarer Spätfolgen einer Langzeitmedikation.»

Die Schulmedizin ist noch nicht in der Lage, Menschen mit AD(H)S zu heilen. Welche Chancen räumen Sie diesbezüglich der Komplementärmedizin ein?
«Auch hier kann ich nur aus der Perspektive der klassischen Homöopathie sprechen. Ob eine Heilung mittels dieser komplementärmedizinischen Behandlungsform möglich ist, kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht gesagt werden. Zurzeit liegen bezüglich der Heilung von AD(H)S weder verlässliche Daten noch eigene Erfahrungen vor.»

Müssen bei der Behandlung von Kindern mit AD(H)S zwingend weitere Massnahmen wie Verhaltenstherapien usw. in Betracht gezogen werden?
«Es gibt keine eindeutigen Hinweise, die zeigen würden, dass es zwingend ist, sogenannte psychoedukative und/oder verhaltenstherapeutische Massnahmen parallel zu einer homöopathischen oder schulmedizinischen Therapie durchzuführen. Je nach Subtyp oder Ausprägung der Symptomatik einer AD(H)S kann eine parallele psychotherapeutische Begleitung aber durchaus sinnvoll sein. Auch bei assoziierten Störungen wie Lese-, Schreib-, und/oder Rechendefiziten können Nachhilfeunterricht oder Förderschulen durchaus ihren Teil beitragen.»

Trotz einigen Studien, welche die Wirksamkeit von klassischer Homöopathie bei der Behandlung einer AD(H)S hervorheben, wird der Komplementärmedizin allgemein oft sehr kritisch begegnet. Wo sind die Ursachen für dieses «Misstrauen» zu suchen?
«Grundsätzlich halte ich eine kritische Beurteilung der fast unüberschaubaren Menge an Heilmethoden – die der Komplementärmedizin zugerechnet werden – als sehr begrüssenswert. Hier gilt es tatsächlich die Spreu vom Weizen zu trennen. Die Gründe, warum viele Menschen trotz wissenschaftlichen Belegen auch einer klassisch homöopathischen Therapie sehr kritisch gegenüberstehen, sind sehr vielseitig. Dies beginnt damit, dass viele Ärzte es nicht wagen, ihre an Universitäten und in Spitälern erlernte Heilmethode zu hinterfragen. Diese Haltung zieht eine Kettenreaktion nach sich und macht es der Komplementärmedizin sehr schwer, Fuss zu fassen. In einer Gesellschaft, in der die Schulmedizin federführend ist, besteht für einen Laien kaum eine Möglichkeit, guten Gewissens auch andere Behandlungsformen in Betracht zu ziehen. So ist das Misstrauen gegenüber nicht schulmedizinischen Heilmethoden völlig logisch und einleuchtend. Eine Abschwächung und eventuell sogar ein Verschwinden dieses Misstrauens ist nur möglich, wenn eine zunehmende Anzahl universitär ausgebildeter Ärzte der Schulmedizin nicht vorbehaltlos gegenübersteht und beginnt, auch andere Heilmethoden zu studieren und zu praktizieren.»

Es werden häufig nur die negativen Eigenschaften und Verhaltensmuster von Kindern mit AD(H)S beschrieben. Hat diese Krankheit auch positive Eigenschaften?
«Sie sprechen einen wichtigen Punkt an. Kinder und Erwachsene mit AD(H)S besitzen sehr viele Stärken und bewundernswerte Eigenschaften, die häufig einfach unterschlagen werden. Eine grosse Hilfsbereitschaft, starke Intuition und Kreativität oder ein ausgeprägter Gerechtigkeitssinn sind nur einige Stärken von Menschen mit AD(H)S. Glaubt man der heutigen Fachliteratur, so kann man davon ausgehen, dass etliche Berühmtheiten wahrscheinlich AD(H)S gehabt haben. Beispiele sind Albert Einstein, Wolfgang Amadeus Mozart, Leonardo Da Vinci, Mahatma Gandhi, Walt Disney oder Jules Verne. Sie haben unsere Welt massgeblich geprägt und wurden zu Lebzeiten oft als verrückt, aufmüpfig und unangenehm revolutionär bezeichnet. Oft ist es leider so, dass durch äussere soziale Beeinträchtigungen wie Ausgrenzung und negativer Beurteilung von Menschen mit AD(H)S diese positiven Eigenschaften irgendwann nicht mehr zum Tragen kommen. Durch die genannten Einflüsse kann ihr Selbstwertgefühl so stark vermindert werden, dass die Betroffenen ihre positiven Eigenschaften als wertlos empfinden.»

Autor: Didier Buchmann Redaktion: Katharina Rederer
Aktualisiert am 17. Sep. 2024 11:49
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