Gesund dank Naturmedizin
Die Diskussion über die Wirksamkeit der Naturheilkunde ist so alt wie die Schulmedizin. Dass Teufelskralle Gelenkschmerzen lindert und Baldrian schlaffördernd wirkt, ist unumstritten. Spätestens nach der Publikation der «Gerac-Studie» zur Wirksamkeit von Akupunktur können selbst beharrliche Schulmediziner dieser komplementären Therapieform etwas abgewinnen. Dringt man in feinstoffliche Bereiche vor – wie dies bei der Homöopathie der Fall ist – sieht es um den wissenschaftlich belegten Beweis oft schlecht aus. Dennoch ist die Naturmedizin ein wichtiger Zweig der Arzneimittelforschung. Sie hat eine lange Tradition und deren erfahrungsmedizinische Wirkungsnachweise sind für die Forscher interessanter denn je.
Zurück zur Natur
Über Jahrtausende hinweg basierte die Arzneimittelforschung auf Stoffen, die allein aus der Natur gewonnen wurden. Noch heute beruhen fast 70 Prozent der im Handel erhältlichen Medikamente auf Naturstoffen. Aufgrund der Erkenntnisse in der Gen- und Biotechnologie wandte sich die Pharmaforschung ab Anfang der 1980er-Jahre vermehrt der chemischen Synthese zu. Die Erwartungen an diese innovativen und naturfremden Medikamente wurden jedoch um einiges zu hoch geschraubt. In der Folge besannen sich die Arzneimittelhersteller Anfang des 21. Jahrhunderts auf den Ursprung der Schulmedizin. Sie setzen fortan auch wieder auf die Kraft der Natur.
Die Top 10 in der Behandlung mit Naturheilmitteln
Erkältungen 69 Prozent
Schlaflosigkeit 27 Prozent
Magenbeschwerden 26 Prozent
Kopfschmerzen 24 Prozent
Verdauungsbeschwerden 24 Prozent
Nervosität 21 Prozent
Kreislaufstörungen 19 Prozent
Bronchitis 18 Prozent
Erschöpfungszustände 15 Prozent
Hautkrankheiten 14 Prozent
Arznei aus der Tiefe
In der Schweiz geniesst die Arzneipflanzenforschung einen guten Ruf. Prof. Dr. Beat Meier, Dozent für Phytotherapie am Institut für Biotechnologie in Wädenswil, unterstrich den Trend hin zu Wirkstoffen mit biologischem Ursprung: «Die Natur und insbesondere die Arzneipflanzen haben die Medikamente der Zukunft schon parat – sie müssen nur wiederentdeckt werden».
Bisher wurden zwischen 1,7 und 1,8 Millionen Arten von Pflanzen und Tieren beschrieben. Schätzungsweise zwischen drei und 30 Millionen Arten warten noch auf ihre Entdeckung. Um diese zu finden, reisen Forscher rund um den Globus. Nicht nur die Artenvielfalt des Regenwaldes, die tiefen des Meeres sondern auch karge Polareislandschaften sind dabei von Interesse. Unter anderem hoffen Biologen nützliche Stoffe aus Meereisbakterien gewinnen zu können. Diese müssen extreme Kälte und Wasser mit einem hohen Salzgehalt standhalten. Diese Stoffe will sich die Arzneimittelforschung zu Nutze machen. Neue Entdeckungen erhoffen sich die Wissenschaftler vor allem für die Behandlung von Herz-Kreislauf-Krankheiten und Krebs.
Der Kunde entscheidet
Naturmedizin ist nicht nur im Bereich der Arzneimittelforschung, sondern auch bei den Patienten hoch im Kurs. Eine Demoscope-Umfrage (2007) brachte eindeutige Ergebnisse. Rund 60 Prozent der Menschen in der Schweiz haben schon komplementärmedizinische Methoden in Anspruch genommen. Vor allem im Bereich der Gesundheitsvorsorge ist ein starker Trend zu natürlichen Arzneimitteln zu verzeichnen. Der gute Ruf eines Heilmittels oder persönliche Empfehlungen gehören zu den Gründen, um zu einem Naturheilmittel zu greifen. Auch die Angst vor Nebenwirkungen führt dazu, dass Patienten sanften Therapien mehr Vertrauen schenken. Eine Angst die nicht ganz unbegründet ist. Während bei vielen Naturheilmitteln der erfahrungsmedizinische Wirkungsnachweis längst erbracht wurde, existieren bei vielen synthetischen Arzneimitteln diesbezüglich noch keine Langzeitstudien. Zu guter letzt spielt auch der finanzielle Aspekt eine Rolle: Gesundheitsprävention mit pflanzliche Arzneimittel belasten das Portmonee nämlich weit weniger als Behandlungen mit synthetischen Medikamenten.
-
Quellen
«Naturmedizin zwischen Zweiflern und Gläubigern» Referat der Justus-Liebig-Universität Giessen
Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften
Alfred Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung
Demoscope-Umfrage 2007
Allensbach-Umfrage.