Stress macht krank
Dieter Kissling, Arzt und Geschäftsleiter des Instituts für Arbeitsmedizin in Baden (AG), führt eine ganze Reihe von Gründe für hohen Stress im Berufsleben an: steigender Termindruck, erhöhte Produktionsvorgaben, Loyalitätsverlust zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern sowie den geringen Handlungsspielraum der Angestellten bei gleichzeitig hoher Verantwortung. Hinzu komme, dass in der Schweiz über drei Millionen Menschen im Dienstleistungssektor arbeiten: «Stellen Sie sich vor, sie haben einen ungehobelten, ausgesprochen unfreundlichen Kunden, und Sie müssen ihn trotzdem anlächeln.» Dies führe zu Stress und Überforderung.
Die daraus resultierenden körperlichen und seelischen Beschwerden sind vielfältig. Sie reichen von verspannten Muskeln, über Verdauungsstörungen, bis hin zu Herz- und Kreislaufproblemen, aber auch Impotenz und Zyklusstörungen sowie Konzentrationsschwierigkeiten, Aggressionen oder Schlafschwierigkeiten sind zu beobachten. Auch sozialer Rückzug kann ein Anzeichen für Überlastung sein.
Kissling und sein Team gehen bei ihren Patienten nicht nur die somatischen Beschwerden an: «Der Stressauslöser muss gefunden und behandelt werden.» Dabei gehöre zu einer erfolgreichen Therapie, dass nicht nur der Patient selbst kuriert, sondern auch der Arbeitsplatz und das soziale Umfeld miteinbezogen werden. Viele Arbeitgeber sind heute für Fragen und Interventionen zugunsten gesunder Mitarbeitinnen und Mitarbeiter aufgeschlossen. Denn ein (langer) Ausfall kostet viel Geld und führt zu Komplikationen im Geschäftsalltag.
Entspannen, wie geht das?
Um Stress zu reduzieren ist es entscheidend, sich immer wieder selber den Spiegel vorzuhalten und zu fragen: «Bin ich zufrieden?» Wer sich wohl fühlt, gut schläft, private Kontakte pflegt und sich bewegt ist weniger gefährdet, sich zu überfordern. Alle müssen aber ihren eigenen, individuellen Weg finden, bewusst loslassen zu lernen. Um vorzubeugen, helfen laut Kissling ein gutes Zeitmanagement, eine realistische Arbeitsplanung und - wenn nötig «Nein» sagen können.
Sofort handeln!
Das grösste Problem ist für den Experten, dass gerade leistungsorientierte Menschen, Gefahr laufen, in Überforderungssituationen und letztlich in ein Burn-out zu schlittern. Solche Personen werden nicht kürzer treten, auch wenn sich ihr Körper zu wehren beginnt. Werden solche Alarmsignale missachtet, kommt es zum Zusammenbruch und möglicherweise zu einem langen Ausfall am Arbeitsplatz. Deshalb empfiehlt Kissling bei den ersten Beschwerden zu reagieren und Hilfe in Anspruch zu nehmen. Für ihn gibt es drei Lösungsansätze: Kann ich die Situation annehmen, wie sie ist, und mich selber distanzieren? Kann ich die Situation ändern? Oder muss ich aus der aktuellen Situation aussteigen?
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Quelle
Thomas Knapp: «In den Krallen des Raubvogels», Knapp Verlag, 2013, ISBN 3-905848-82-1