Verletzungsfrei Laufen
Wenn jemand übers Laufen Bescheid weiss, dann die beiden ehemaligen Weltklasseläufer Markus Ryffel und der deutsche Arzt Thomas Wessinghage. Ryffel gewann 1984 die Olympia-Silbermedaille über 5000 Meter in Los Angeles, Wessinghage war 1982 Europameister in Athen über dieselbe Distanz. Beide engagieren sich heute im Volksgesundheitssport. An Seminaren, Workshops und Vorträgen klären sie Breitensportler darüber auf, wie sie langfristig Lust am Laufen finden und dabei keinen Schaden nehmen. Ihr Motto: «So bleiben Sie 20 Jahre 40 und 40 Jahre 20.»
Ferse, Mittelfuss oder Vorfuss?
Was es dazu braucht, ist nicht in wenigen Worten erklärt und füllt die Seiten aller gängigen Magazine für Sportler. Es fängt schon damit an, wie man beim Laufen die Füsse aufsetzen soll: Mit der Ferse voran, über Mittel- und Vorfuss oder nur auf den Fussballen? Die Antwort: «Das beste Verhältnis zwischen Kraftaufwand und Geschwindigkeit bietet die Technik über den Mittelfuss», erklärt Markus Ryffel. Dabei trifft der ganze Fuss auf den Boden, bevor der Läufer über den Vorfuss abrollt. So laufen auch die Naturvölker Afrikas – ohne Schuhe, barfuss über die Steppe. Es ist laut Ryffel der natürlichste Laufstil, der zudem die Fussmuskeln aufbaut und kräftigt. Dieser Stil verbunden mit der kräftigen Fussmuskulatur ist gemäss Ryffel einer der Gründe, weshalb Schwarzafrikaner die weltweit erfolgreichsten Läufer sind. Im Gegensatz zu vielen Europäern – häufig Fersenläufer – sind sie mit der natürlichen, kräfteschonenden und somit ökonomischen Lauftechnik dem Gegner im Rennen entscheidende Sekunden voraus.
Das lässt sich selber gut ausprobieren. Wenn man barfuss über eine Wiese läuft, setzt der Fuss unwillkürlich so auf. Die Mittelfusstechnik eignet sich laut Ryffel für längere Strecken bei mittlerer Geschwindigkeit. Sprinter hingegen laufen auf dem Vorfuss, das heisst, sie stossen mit dem Fussballen ab, Mittelfuss und Ferse berühren den Boden nicht. Das funktioniert aber nur über wenige hundert Meter. Auf längeren Strecken würde es bei Hobbyläufern die Gefahr einer Überlastung der Achillessehne erhöhen. Am wenigsten ideal ist der extreme Fersenlauf. Ryffel: «Voll auf der Ferse aufprallen, womöglich noch mit gestrecktem Knie, ist für die Gelenke sehr belastend.» Zudem wirke dieser Laufstil eher bremsend. Das heisst, er ist kräfteraubend und deshalb unökonomisch. Am besten für die Gesundheit ist wie so oft ein Kompromiss. Ryffel: «Wechseln Sie während des Laufens ab.» Mal über die Ferse, mal über die Mitte.
Krafttraining für Läufer?
Viele Joggerinnen und Jogger halten Krafttraining für überflüssig. «Da liegen sie aber falsch», sagt Arzt Thomas Wessinghage. Laufen sei mehr als nur Ausdauer, also Herz-Kreislauf-Training. Laufen bedeute zugleich Kraft, Beweglichkeit, Gleichgewicht und Koordination. Grund: Um vorzeitigem Gelenkverschleiss und Verletzungen vorzubeugen braucht es eine genügend starke Muskulatur, und zwar am ganzen Körper, nicht nur an den Beinen. Denn beim Laufen wirken enorme Kräfte auf die Gelenke. Wessinghage: «Muskeln stabilisieren die Gelenke und federn die Schläge ab.» Vernachlässigen Läufer ihre Muskeln, kann das Folgen haben: Schmerzen in Rücken, Hüfte, Knie oder an den Füssen. Dabei ist der Aufwand für ein effizientes Krafttraining gering: Dreimal wöchentlich rund 20 Minuten genügen. Nicht einmal ein Fitnesscenter braucht es dafür. Übungen mit dem eigenen Körpergewicht sind einfach und überall auszuführen. Ein weiterer Vorteil: Sie trainieren auch die tiefliegenden Muskeln am Rumpf.
Die Füsse – vernachlässigt aber wichtig
Oft widmen Jogger ihren Füssen zu wenig Aufmerksamkeit. Zu Unrecht: Denn sie tragen rund 98 Prozent des gesamten Körpergewichts. Entsprechend sind Füsse und Fussgelenke mit vielen kleinen Muskeln ausgestattet – so man sie denn trainieren würde. Doch bei vielen Menschen sind sie verkümmert. Schuld daran sind Schuhe mit dicken Sohlen, High Heels aber auch Laufschuhe mit üppigen Polstern. Grund: Sie nehmen den Fussmuskeln ihre Arbeit ab. Dabei sind es gerade die Muskeln und Nervensensoren an den Füssen, die dafür sorgen, dass wir stabil und im Gleichgewicht auf dem Boden stehen und bei Unebenheiten nicht ins Straucheln kommen oder gar hinfallen. Würden die Menschen mehr barfuss gehen, so Wessinghage, «könnten die Hersteller von Rollatoren Konkurs anmelden». Läufern legt er ans Herz, öfters nach dem Training mal ein paar Runden barfuss über eine Wiese zu rennen.
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